Das „Guru-Yoga“ als heilsame Imagination
Nach Leslie S. Greenberg (Mitbegründer der „Emotionsfokussierten Therapie“) gilt es als erwiesen, dass Emotionen eine fundamentale Bedeutung beim Aufbau des Selbst und eine Schlüsselstellung bei der Selbstorganisation zukommt.
Doch erst der Körpersinn ermöglicht es dem Menschen, sein Selbst wahrzunehmen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln (Grunwald, M., Leiter des Haptiklabors, Universität Leipzig, in GEO, Juni 2004, S.138).
Die körperliche Erlebbarkeit von Gefühlen sei hier betont.“Indem wir begreifen was außer uns noch da ist, fühlen wir uns selbst und bestätigen so unsere Existenz“ (ebenda).
Die heilsame Kraft der Imagination ist spätestens seit dem Standardwerk von Luise Reddemann „Imagination als heilsame Kraft“, eine Methode der inneren Kind Arbeit, um Menschen, die Traumata erlebt haben, zu behandeln.
Die buddhistische Philosophie vertritt die Haltung, dass jeder Mensch die Buddha-Natur in sich trägt. Es gibt hier eine Art „do-it-yourself-Methode“, um das Selbst und die eigene Existenz in Ganzheit zu fühlen und sich auf diese wundersame Weise in seiner Existenz zu bestätigen; auch hier wird also mit Imagination gearbeitet.
Es handelt sich um das „Guru-Yoga: Mit dem Weisheitsgeist des Meisters verschmelzen“, das im Folgenden zitiert wird; hier stellt sich der/die Kontemplierende den Buddha im Außen vor, tritt mit ihm in Resonanz und nimmt den Buddha schließlich in sich auf.
Nach Sogyal Rinpoche, dem Autor des Buches „Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“, gibt es „keinen schnelleren, bewegenderen und machtvolleren Weg, um die Hilfe der erleuchteten Wesen anzurufen, um Hingabe zu erzeugen und die Natur des Geistes zu erkennen“. (Wobei die „Natur des Geistes“ die eigene Buddha-Natur ist. Anmerkung der Autorin). Sie benötigen für diese Übung nicht mehr, als die Bereitschaft sich darauf einzulassen und einen ungestörten Raum.
„Guru-Yoga: Mit dem Weisheitsgeist des Meisters verschmelzen“ ( Sogyal Rinpoche, Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben, Fischer Verlag, 5. Auflage 2007, S.183-187)
"1. Anrufung
Sitzen Sie still. Rufen Sie nun aus der Tiefe Ihres Herzens die Verkörperung der Wahrheit in Form Ihres Meisters, eines Heiligen oder eines anderen erleuchteten Wesens im Raum vor Ihnen an.
Versuchen Sie, den Meister oder Buddha so lebendig wie möglich, und dabei so strahlend und durchscheinend wie einen Regenbogen zu visualisieren. Setzen Sie volles Vertrauen darin, dass aller Segen und alle Eigenschaften von Weisheit, Mitgefühl und Stärke aller Buddhas und erleuchteten Wesen in ihm verkörpert ist.
Wenn es Ihnen schwer fällt eine bestimmte Form zu visualisieren, stellen Sie sich diese Verkörperung der Wahrheit einfach als Licht vor oder versuchen Sie, einfach ihre vollkommene Präsenz im Raum vor Ihnen zu spüren: Es ist die Präsenz aller Buddhas und Meister.
Lassen Sie die Inspiration, Freude und Ehrfurcht, die Sie dann empfinden, an die Stelle der Visualisation treten. Haben Sie einfach Vertrauen, dass die Präsenz, die Sie anrufen, tatsächlich da ist. Der Buddha sagte selbst: „Ich werde bei jedem sein, der an mich denkt.“ Es ist anfangs unerheblich, ob man visualisieren kann; viel wichtiger ist, die Präsenz in Ihrem Herzen zu spüren und zu wissen, dass sie die Anwesenheit des Segens und des Mitgefühls, der Energie und Weisheit aller Buddhas verkörpert. Wenn dann Ihr Herz erfüllt ist von der Präsenz des Meisters, entspannen Sie sich und rufen Sie ihn von ganzem Herzen und mit ganzem Geist an; halten Sie ganz voller Vertrauen innere Zwiesprache: „Hilf mir, all mein Karma und meine negativen Emotionen zu reinigen; hilf mir, die wahre Natur meines Geistes zu erkennen!“
Lassen Sie dann in tief empfundener Hingabe Ihren Geist mit dem Meister verschmelzen und in seinem Weisheitsgeist ruhen. Geben Sie sich ganz hin und sagen Sie zum Beispiel: „Hilf mir jetzt, kümmere dich um mich! Erfülle mich mit deiner Freude und Energie, deiner Weisheit und deinem Mitgefühl! Lass mich aufgehen im liebenden Herzen deines Weisheitsgeistes! Segne meinen Geist, inspiriere mein Verständnis!“ Dann gibt es, wie Dilgo Khyentse Rinpoche sagt, keinerlei Zweifel, dass der Segen in Ihr Herz finden wird.
Diese Übung ist ein direkter, geschickter und wirksamer Weg, unseren gewöhnlichen Geist zu überschreiten und den reinen, geheiligten Bereich der Weisheit von Rigpa (Hingabe, Anmerk. der Autorin) zu betreten. Wir entdecken, erkennen und wissen schließlich, dass alle Buddhas wirklich gegenwärtig sind. (…). Sobald Sie den Buddha anrufen, inspirieren Sie damit Ihre eigene Buddha-Natur zum Erwachen, und sie wird erblühen, so natürlich wie eine Blüte sich der Sonne öffnet.
2. Vertiefen und Reifen des Segens
In diesem Teil der Übung, dem Verschmelzen des eigenen Geistes mit dem des Meisters durch das Medium des Mantras, rezitiere ich OM AH HUM VERJA GURU PADMA SIDDHI HUM (in der tibetischen Aussprache Om Ah Benza Guru Pema Siddhi Hung). Dabei bin ich mir bewusst, dass dieses Mantra tatsächlich Padmasambhava (Buddha des Mitgefühls, Anmerk. der Autorin) selbst ist sowie die Essenz aller Meister in Form von Klang. Ich stelle mir vor, dass mein ganzes Wesen von ihm erfüllt ist, und wenn ich dann das Mantra seine – Herz-Essenz – rezitiere, fühle ich es vibrieren und mich durchdringen, als zirkulierten hunderte winzige Padmasambhavas in der Form von Klang in mir und transformierten mein ganzes Sein.
Bringen Sie nun Herz und Geist in kraftvoll einsgerichteter Hingabe mit dem Mantra dar, und vermischen Sie Ihren Geist mit Padmasambhava oder Ihrem Meister; lassen Sie sie ganz und gar verschmelzen. Schritt für Schritt nähern Sie sich Padmasambhava an, und die Entfernung zwischen Ihnen und seinem Weisheitsgeist beginnt zu schwinden. Langsam machen Sie die Erfahrung, dass Ihr Geist tatsächlich in den Weisheitsgeist Padmasambhavas und Ihres Meisters transformiert wir: Sie beginnen, ihre Untrennbarkeit zu entdecken. So, wie Ihr Finger nass wird, wenn Sie ihn ins Wasser tauchen, und verbrennt, wenn Sie ihn ins Feuer halten, genauso sicher wird sich Ihr Geist in die Weisheitsnatur des Buddhas verwandeln, wenn Sie ihn Ihrem Weisheitsgeist aussetzen. Sie finden sich allmählich im Zustand von Rigpa (Hingabe), da ja als die innerste Natur Ihres Geistes nichts anderes ist, als der Weisheitsgeist der Buddhas selbst. Es ist, als würde Ihr gewöhnlicher Geist allmählich sterben und sich auflösen und Ihr reines Gewahrsein, Ihre Buddha-Natur Ihr innerer Meister sich offenbaren. Das ist auch die eigentliche Bedeutung von „Segen“: eine Transformation, die Ihren Geist im Zustand des Absoluten aufgehen lässt. Das ist das Herz und der wichtigste Teil des Guru-Yoga, und für dieses „Reifen des Segens“ sollten Sie sich in Ihrer Übung die meiste Zeit nehmen.
3. Ermächtigung
Stellen Sie sich nun vor, dass vom Meister tausende Lichtstrahlen ausgehen, die Sie treffen, Sie durchdringen, reinigen, heilen, segnen, ermächtigen und den Samen der Erleuchtung in Ihnen säen. Um diesen Teil der Übung so reich und inspirierend wie nur möglich zu gestalten, können Sie sich seine Entfaltung in drei Phasen vorstellen:
Zuerst strahlt ein kristallenes, blendend weißes Licht aus der Stirn des Meisters, tritt durch das Energiezentrum in Ihre Stirn ein und füllt Ihren Körper aus. Dieses weiße Licht steht für den Segen des Körpers aller Buddhas: es reinigt alles negative Krama, das Sie durch negative Handlungen mit Ihrem Körper geschaffen haben; es reinigt die feinstofflichen Energiekanäle Ihres psychophysischen Systems; es verleiht Ihnen den Segen des Körpers aller Buddhas, ermächtigt Sie zur Visualisationspraxis und öffnet Sie für die Erkenntnis der mitfühlenden Energie von Rigpa, der Natur des Geistes, der sich in allem manifestiert.
Als nächstes strahlt rubinrotes Licht aus der Kehle des Meisters in das Energiezentrum in Ihrer Kehle und füllt Ihren ganzen Körper aus. Dieses rote Licht steht für den Segen der Rede aller Buddhas: Es reinigt alles negative Karma, das Sie durch zerstörerischen Gebrauch der Rede angesammelt haben; es reinigt den inneren Energiefluss Ihres psychophysischen Systems; es verleiht Ihnen den Segen der Sprache aller Buddhas; es ermächtigt Sie zur Mantra-Praxis und öffnet Sie für die Erkenntnis der strahlenden Natur von Rigpa.
Schließlich strahlt lapislazuliblaues Licht aus dem Herzen des Meisters zum Energiezentrum Ihres Herzens und füllt Ihren ganzen Körper aus. Dieses blaue Licht steht für den Segen des Geistes der Buddhas: Es reinigt alles negative Karma, das Sie durch negativen Gebrauch Ihres Geistes geschaffen haben; es reinigt die kreative Essenz oder Energie innerhalb Ihres psychophysischen Systems; es verleiht Ihnen den Segen des Geistes aller Buddhas; es ermächtigt Sie zu fortgeschrittenen Yoga-Praktiken und öffnet Sie für die Erkenntnis der ursprünglichen Reinheit der Essenz von Rigpa.
Sie wissen und spüren, dass Sie nun durch den Segen von Körper, Rede und Geist Padmasambhavas und aller Buddhas gesegnet sind.
4. Ruhen in Rigpa
Lassen Sie den Meister sich nun in Licht auflösen und in der Natur Ihres Geistes eins mit Ihnen werden. Erkennen Sie, ohne die Spur eines Zweifels, dass diese himmelsgleiche Natur Ihres Geistes der absolute Meister ist. (…). Sie sind nun im Urgrund angekommen: der ursprünglichen Reinheit natürlicher Einfachheit. (...)."
Viel Freude beim Ausprobieren!
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Renita Zenz (Mittwoch, 01 Februar 2017 21:47)
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